Gegen Blutkrebs! Meine Stammzellspende

Blogpost #8 - Spritzen? Spritzen!

 

Für eine Weile habe ich den Gedanken einfach verdrängt. Ich habe mir im Lauf der Jahre abgewöhnt, mich vorzeitig über Sachen aufzuregen, die noch nicht akutell sind. Okay, über Spritzen braucht man sich überhaupt nicht aufzuregen. Das kommt noch hinzu: Das war mir nämlich klar. Trotzdem ... So ein winziger Vorbehalt gegenüber diesen unscheinbaren Plastik- und Metallteilen besteht ja doch. Mir selbst subkutan Spritzen verabreichen ... würde ich das können?


Ich hatte keinen Zweifel daran, dass ich das können würde, weil ich es vor vielen Jahren bei meiner Mutter schon mal machen musste. Ich weiß also bereits, wie es sich anfühlt, wenn die Nadelspitze durch die oberste Hautschicht muss. Und wie es sich anfühlt, gepikst zu werden, weiß ich natürlich auch längst. Dann war ja auch so viel zu tun in der Zwischenzeit. Das Schreiben hat seinen festen Platz in meinem Leben, und ich habe Verträge zu erfüllen. Außerdem gibt es die fünfköpfige Familie und das Haus, den Hund … Und dann auch noch die Feiertage. Ich war mehr als abgelenkt von den Spritzen, die ich in der Klinik mit nach Hause bekommen hatte.

 

Die Tasche mit den Medikamenten lag die ganze Zeit in meinem Schreibzimmer in einem Regal, ich ignorierte sie geflissentlich. Die Schwester im Klinikum hatte mir ja gezeigt, wie es geht, sie hatte mein „Päckchen“ passend zusammengestellt, einen exakten Zeitplan dazu gelegt. Im Grunde war ich also bestens instruiert worden, und es bestand keine Notwendigkeit, mich damit zu befassen, bevor es Zeit wurde, die erste Spritze zu setzen.

 

 

Warum überhaupt Spritzen?

 

Der Wirkstoff heißt G-CSF und bewirkt, dass im Knochenmark mehr Stammzellen gebildet werden, die dann ins Blut geschwemmt werden. Das Gleiche passiert bei den meisten Erkrankungen, wenn unser Körper sich gegen eine Krankheit wehrt. Das Medikament soll mit Depotwirkung in den Körper gelangen und wird deshalb fünf Tage vor der Stammzellentnahme täglich morgens und abends verabreicht. Es kann zu Nebenwirkungen führen, die man von Grippeerkrankungen kennt. Möglich, dass ich in den Tagen, in denen ich G-CSF nehme, Kopf- und Gliederschmerzen bekomme, außerdem Schlafstörungen, eventuell etwas Übelkeit. Ich darf dagegen Paracetamol einnehmen, um die Symptome zu bekämpfen. Ein Schmerzmittel, das blutverdünnende Wirkung hat, wäre hingegen nachteilig.

 

 

 

Das erste Mal ...

 

Nun ist es also soweit: Ich muss mir zum ersten Mal das Mittel subkutan verabreichen. Der Tag beginnt wie jeder normale Alltag. Um sechs Uhr aufstehen, Frühstück richten und mit der Familie essen, ab ca. sieben Uhr sind alle aus dem Haus. Am Vorabend habe ich die Tasche mit den Medikamentenpackungen aus meinem Büro geholt und bereitgestellt. Die Anweisungen habe ich mir nochmals genau durchgelesen.

 

Meine Finger zittern nicht, aber ich spüre ein leises Flattern im Bauch, als ich mit der einen Nadel zuerst den Wirkstoff mit Wasser mische, das Medikament aufziehe und vorm Spritzen die Nadel wechsle. Tröstlich, dass meine Bauchdecke genug Unterhautfettgewebe aufweist … Ich wusste, für irgendwas wird es mal gut sein. Ich greife also beherzt zu, drücke die Haut ein bisschen zusammen und jage die Nadel in einem Winkel von ca. 30° (Tipp meiner Freundin) hinein. Tut NICHT weh! Den Kolben der Spritze schiebe ich sehr langsam nach unten. Das habe ich damals bei meiner Mutter auch so gemacht, und sie sagte, ich spritze am besten von allen :-). (Kann sein, dass sie nur aus Mutterliebe so sprach, aber das ist ja kein Grund, sich nicht daran zu erinnern und es wieder so zu tun.)

 

In mir lauert etwas, das damit rechnet, gleich den großen Schmerz oder das große Brennen zu spüren. Vielleicht Hitze an der Einstichstelle? Blut? Nichts von alledem. Es ist völlig unkompliziert und schmerzlos. Dass etwas in mir immer noch leicht flattert, liegt an mir. Typisches Lampenfiebersymptom. Das lässt gleich darauf nach.  Und dann stellt sich ein kurzes, überschwängliches Glücksgefühl ein: Ich habe den ersten Schritt gemacht! Ich habe mich überwunden und mich selbst gepikst. Und es war ein Spaziergang.

Ob der Empfänger/die Empfängerin meiner Stammzellen genauso wenige Beschwerden hat wie ich?

 

Und: Ob Nebenwirkungen eintreten werden? Wenn ja, werde ich mich nicht scheuen, Paracetamol einzunehmen. Ich verzichte normalerweise weitgehend auf Schmerzmittel, aber manchmal gibt es einfach keinen Grund zu leiden.

Bildunterschrift: Done!